Microsoft 365 Archive als Archivspeicherebene in SharePoint Online
Das Microsoft 365 Archive adressiert ein sehr konkretes Problem, mit dem viele Organisationen weltweit in SharePoint Online konfrontiert sind. Inhalte, die aus Governance- oder Nachweispflichten heraus langfristig aufbewahrt werden müssen, belegen Speicherplatz, obwohl die Collaboration-Funktionen einer "aktiven" Site nicht mehr benötigt werden. Anstatt Daten in externe Archive zu migrieren, verschiebt Microsoft 365 Archive komplette SharePoint-Sites in eine explizite Archivspeicherebene ("Cold-Archive-Tier") innerhalb derselben SharePoint-Umgebung. Dadurch sinken die laufenden Speicherkosten, ohne dass die Microsoft-365-Sicherheits- und Compliance-Mechanismen beeinträchtigt werden.
Architektur und Datenverhalten in der Archivspeicherebene
Beim Archivieren wechselt eine Site in einen Zustand, in dem sie für Endanwender nicht mehr interaktiv nutzbar ist. Aufrufe über die Site-URL führen zu einer Hinweis-Seite, dass die Site archiviert wurde. Das hat zwei unmittelbare Effekte für die Organisation. Zum einen wird der Inhalt klar als "inaktiv" separiert und zum anderen entkoppelt vom Speicherverbrauch des aktiven SharePoint-Speicherkontingents des Microsoft-365-Mandanten. Er wird stattdessen als Archivspeicher gezählt.
Die Archivierung ist verlustfrei hinsichtlich Site-Struktur und Verwaltungsmetadaten. Dokumentbibliotheken, Listen, Seiten sowie die Ordner- und Berechtigungsstruktur bleiben erhalten. Ebenso bleiben Suchindizes und Metadaten erhalten, die für Administratoren und Compliance-Szenarien entscheidend sind. Die Reaktivierung bringt die Site in den vorherigen Betriebszustand zurück, inklusive Berechtigungen und Site-Einstellungen.
Während eine Site archiviert ist, bleiben Lösch- und Aufbewahrungsprozesse wirksam. Zwei Fälle sind dabei für den Betrieb wichtig:
- Inhalte im Papierkorb laufen weiterhin gemäß den normalen Fristen ab und
- Inhalte, die durch Aufbewahrungsrichtlinien explizit zur Löschung vorgesehen sind, werden auch im Archivzustand gelöscht.
Das verhindert, dass das Archiv zu einem rechtsfreien Speicherbereich wird und hält Aufbewahrungszusagen konsistent.
Sicherheit, Purview und Compliance: Was bleibt aktiv, was ändert sich?
Microsoft 365 Archive berücksichtigt die Sicherheits- und Compliance-Grundlagen von Microsoft 365 und SharePoint Online. Das betrifft insbesondere Identität (Microsoft Entra ID), rollenbasierte Administration und die Purview-Toolkette. Für viele Organisationen ist genau das der Kernnutzen gegenüber einer Auslagerung in ein fremdes Storage-System: eDiscovery, Legal Hold und Audit bleiben ohne Medienbruch nutzbar.
Abrechnung und Kostenlogik: wann Archivspeicher wirklich Geld kostet
Microsoft 365 Archive folgt einem nutzungsbasierten Preismodell. Abgerechnet wird der archivierte Speicher pro GB und Monat (0,05 USD/GB/Monat für archivierten Datenspeicher). Entscheidend ist allerdings die Bedingung, wann diese Kosten überhaupt anfallen. Gebühren entstehen nur dann, wenn die Summe aus aktivem SharePoint-Speicher und Archivspeicher das lizenzierte SharePoint-Speicherkontingent des Mandanten überschreitet. Solange das Gesamtkontingent nicht überschritten ist, verursacht die Archivierung keine zusätzlichen Speicherkosten.
Ein weiterer technischer Betriebsaspekt ist die "Größe" einer archivierten Site: Abgerechnet wird der Speicherstand der Site und der ändert sich im Archivzustand typischerweise nur durch systembedingte Effekte wie ablaufende Papierkorb-Inhalte oder Richtlinien, die Inhalte löschen. Für Kostenprognosen ist das relevant, weil man nicht mit einem dynamischen Wachstum wie bei aktiven Projektseiten rechnen sollte, solange niemand reaktiviert und aktiv weiterarbeitet.
Reaktivierung: Für SharePoint-Sites wurde die Reaktivierungsgebühr zum 31. März 2025 entfernt (Microsoft 365 Archive Eliminates Reactivation Fees by March 31, 2025). Reaktivierungen sind seitdem für Sites kostenfrei. Gleichzeitig gilt eine Sperrfrist. Nach einer Reaktivierung kann die Site für vier Monate (120 Tage) nicht erneut archiviert werden. Das soll ständiges Hin- und Herschieben verhindern. Diese Änderung gilt nicht für archivierte OneDrive-Konten, dort bleibt eine reaktivierungsbezogene Abrechnung bestehen.
Für Schätzungen stellt Microsoft einen Preisrechner bereit, der typische Heuristiken wie Mandantenkontingent, aktuellen Verbrauch und erwartetes jährliches Archivwachstum berücksichtigt. Der Rechner ist bewusst als Szenario-Tool gedacht, nicht als exakte Kostenprognose.
Einrichtung und Steuerung: Admin Center, Rollen und technische Schritte
Die Aktivierung erfolgt über die Pay-as-you-go-Dienste in Microsoft 365 und setzt eine Verknüpfung mit einem Azure-Abonnement voraus.
Zuerst wird ein Azure-Abonnement samt Ressourcengruppe bereitgestellt. Dann wird im Microsoft 365 Admin Center die nutzungsbasierte Abrechnung eingerichtet und das Azure-Abonnement verknüpft. Anschließend wird Microsoft 365 Archive im Microsoft 365 Admin Center unter Einstellungen -> Organisationseinstellungen -> Dienste mit nutzungsbasierter Bezahlung aktiviert, getrennt für SharePoint-Websitearchiv und für archivierte nicht lizenzierte OneDrive-Konten. Die eigentliche operative Verwaltung (archivieren, reaktivieren, löschen, Status prüfen) erfolgt im SharePoint Admin Center.
Im SharePoint Admin Center läuft das Archivieren über die Auswahl einer oder mehrerer Sites auf "Aktive Websites" und den Befehl "Archiv".
Archivierte Sites erscheinen anschließend in einer separaten Ansicht, inklusive Archivstatus und Speicherangaben. Gelöscht werden kann eine archivierte Site direkt, ohne sie vorher zu reaktivieren. Sites im Zustand "Reaktivierend" sind davon ausgenommen, bis der Vorgang abgeschlossen ist.
Microsoft 365 Archive Demo
Archivzustände, Reaktivierungszeiten und operative Auswirkungen
Microsoft unterscheidet mindestens zwei stabile Archivzustände, die die Reaktivierungszeit beeinflussen:
- Kürzlich archiviert: Dieser Zustand gilt sieben Tage nach der Archivierung. Reaktivierungen erfolgen in dieser Phase sofort.
- Archiviert: Nach sieben Tagen wechselt die Site in den regulären Archivzustand. Reaktivierungen können dann bis zu 24 Stunden dauern.
- Reaktivierend: Übergangszustand während der Wiederherstellung. in dieser Zeit sind keine Operationen wie Löschung möglich.
Zusätzlich lässt sich für Endanwender eine Umleitungs-URL konfigurieren, die beim Zugriff auf eine archivierte Website angezeigt wird. Praktisch ist das als "Request-to-reactivate"-Pfad: Nutzer gelangen so etwa in ein Ticket-System oder ein Formular. Dies kann über ArchiveRedirectUrl im Set-SPOTenant-PowerShell-Cmdlet konfiguriert werden.